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Foto: Stephanie Pilick
Geschichte

Die Freireligiöse Gemeinde Berlin steht in der Nachfolge der 1845 in Berlin Prenzlauer Berg gegründeten christ-katholischen, später deutsch-katholischen Gemeinde. Sie wurde durch die freiheitlich-demokratische Grundhaltung ihrer Mitglieder zu einem wichtigen Träger der Revolution von 1848/49. Davon künden der Tierarzt Friedrich Ludwig Urban (1806-1879), ein legendärer Barrikadenkämpfer am Alexanderplatz, der sich zum Urchristentum bekannte, und der erste gewählte Prediger der Gemeinde, Robert Brauner (1816-1854), den die katholische Kirche exkommuniziert hatte. Robert Brauner hielt zum ersten Jahrestag der Revolution 1849 eine bewegende Trauerrede auf die Märzgefallenen, die sich in den Annalen der Geschichtsschreibung findet. Bruno Wille (1860-1928) war der erste Lehrer für freireligiösen Religionsunterricht und entwickelte einen eigenständigen Lehrplan für das Fach. Vorkämpferinnen für die Gleichberechtigung der Frauen waren Agnes Wabnitz (1842-1894) und Ida Altmann-Bronn (1862–1935).

Die ideelle Nähe zwischen freireligiösem und sozialistischem Gedankengut markiert exemplarisch Adolph Hoffmann (1858-1930), der über den Vorsitz der Gemeinde (1913-1926) hinaus mit gepfeffertem Witz von der Rednertribüne des Reichstags für die Sozialdemokratie focht.
Als er nach der Revolution von 1918/19 kurzzeitig als preußischer Kultusminister agierte, veränderte er das Gesetz, das den Religionsunterricht als Pflichtfach festlegte. Nunmehr war Lebenskundeunterricht als Alternative zum Religionsunterricht möglich. Das politische Engagement vieler Freireligiöser und Freidenker in den Arbeiterparteien SPD und KPD sowie in den Parlamenten war bekannt. Darum verboten die Nationalsozialisten in einem Erlass vom 20. November 1934 die gesamte Freigeistige Bewegung „wegen kommunistischer Umtriebe“. Die Wiederzulassungen nach 1945 gestalteten sich in Ost und West unterschiedlich. Erst 1955, und nur in Berlin-West, kam es zu einer Wiedergründung als Freigeistige Gemeinschaft/ Freireligiöse Gemeinde Berlin. Ernst Jeske (1905-1984), Vorsitzender von 1974 bis 1984, hatte 1945/46 ohne Erfolg versucht, die Wiederzulassung der Freireligiösen/ Freidenker in der sowjetischen Besatzungszone zu erwirken.

Allerdings setzten die DDR-Behörden die Freireligiöse Gemeinde nicht wieder in ihre Rechte ein. 1990, nach dem Fall der Berliner Mauer, stellte die Freireligiöse Gemeinde (Berlin-West) einen Restitutionsantrag auf das historische Areal und die Immobilie in der Pappelallee. 1998 wurde der Antrag positiv beschieden. Seitdem bemüht sich die Freireligiöse Gemeinde, den in einen Friedhofspark umgestalteten ehemaligen Friedhof als kulturhistorischen Ort für Berlin und für die Freireligiösen in ganz Deutschland zu erhalten. Um die nur noch verstreut existierenden Dokumente und Materialien zur Geschichte der Freigeistigen Bewegung vor dem endgültigen Verlust zu bewahren, gründete die Freireligiöse Gemeinde im Jahre 2000 das „Zentrum zur Erforschung der Freireligiösen Bewegung“.
Anhand historischer Quellen und durch die Übernahme mehrerer Nachlässe und Schenkungen (Archivmaterial und Bücher) sind inzwischen genauere Blicke in die wechselvolle Geschichte der Freireligiösen möglich. Dieses Wissen hat unsere Identität gewandelt und gleichzeitig neu gefestigt, so dass das Erbe freireligiösen Lebens teilweise wieder lebendig wird und auch an die kommende Generation weitergegeben werden kann.